Infrastruktur vs. Naturschutz:Kampf um die Oder

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Im Oktober fand in Frankfurt an der Oder die Regionalkonferenz Grenzoder statt.
Ein Streitpunkt: Der Bunenbau am polnischen Ufer der Oder.
Am Tagungsort demonstrierten Naturschützer für eine naturbelassene Oder und gegen den Bunenbau in Polen.
Vertreter der WSV wiesen auf die Bedeutung einer schiffbaren Oder hin, um die Gefahren bei starkem Eisgang auch für die Ufer des Flusses minimieren zu können.

Die Oder mit der Neiße ist Deutschlands östlichster Fluss und bildet bis zur Abzweigung der Westoder die Grenze zu Polen. Die periphere Lage der Oder spiegelt allerdings ihre Bedeutung nicht wider. Das hat auch die Regionalkonferenz Grenzoder, zu der das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) am 17.10.2023 in Frankfurt/Oder eingeladen hatte, eindrucksvoll bestätigt.

Die Oder war immer wieder in den Schlagzeilen. Das Oderhochwasser 1997 war die bis jetzt größte bekannte Überflutung der Oder. Ihr fielen in Polen und in Tschechien insgesamt 114 Menschen zum Opfer. In Deutschland gab es zum Glück keine Todesopfer. Der materielle Schaden betrug hier 650 Mio. DM (331 Mio. Euro). Die Flut führte zu einer nationalen Solidarisierung: Bürger aus ganz Deutschland spendeten damals fast 98 Mio. DM (50 Mio. Euro).

Im August 2022 gab es in der Oder (ausgenommen das Oderhaff) ein massenhaftes Tiersterben. Betroffen waren nicht nur Fische, sondern auch Muscheln und Schnecken. 50 Prozent der Bestände wurden getötet. Ursache waren Einleitungen großer Salzmengen von polnischer Seite, die zusammen mit hohen Temperaturen und niedrigen Wasserständen zu einer massiven Vermehrung der Brackwasseralge Prymnesium parvum führten. Die Alge erzeugt eine giftige Substanz, die für Fische und andere Wasserorganismen tödlich sein kann.

Die Regionalkonferenz Grenzoder im Oktober 2023 hatte vier Themenschwerpunkte: Die Maßnahmenplanungen an der Grenzoder, das deutsch-polnische Abkommen über die gemeinsame Verbesserung der Situation an den Wasserstraßen im deutsch-polnischen Grenzgebiet, eine Stromregelungskonzeption, die Ökologie und Maßnahmenumsetzung sowie der Klimawandel und ein eventueller Eisbrecher-Einsatz in einem Eiswinter.

Sehr schnell stand allerdings das deutsch-polnische Abkommen und dessen Umsetzung durch Polen im Zentrum zuweilen hitziger Äußerungen. Dabei verlief die die Diskussionsfront zwischen deutscher (!) Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) einerseits, sowie den GRÜNEN und Umweltverbänden andererseits. Die WSV wies darauf hin, dass die Oder für Polen eine große wirtschaftliche Bedeutung hat. 85 Prozent des Flusses verlaufen in Polen. Er verbindet das polnische Industriegebiet Górnośląski Okręg Przemysłowy (GOP, oberschlesisches Industrierevier) mit dem Seehafen Szcecin (Stettin). Daher hat Polen mit dem Bau von Bunen begonnen (siehe Foto), die eine ausreichende Wassertiefe und Schiffbarkeit der Oder gewährleisten sollen. Diese sind auch für die WSV wichtig, weil sonst im Winter nicht die Oder-Eisbrecher eingesetzt werden können. Das Eis kann sich auf der Oder mehrere Meter hoch türmen (siehe Foto). Die Folge können Hochwasser, Überflutungen und Deichbrüche sein.

Die GRÜNEN und die Umweltverbände lehnen den Bunenbau ab und wollen die Oder weitgehend einer natürlichen Entwicklung überlassen. So machte die Organisation „Greenpeace“ mit einer Kundgebung vor der Tagungshalle deutlich, dass aus ihrer Sicht der Lebensraum Oder und die Wasserstraße Oder unvereinbar seien. Kurz vor der Regionalkonferenz Grenzoder veröffentlichten die Fraktionen der GRÜNEN im Landtag von Brandenburg, im Bundestag und Europäischen Parlament eine gutachterliche juristische Stellungnahme zum deutsch-polnischen Abkommen, die zum Ergebnis kommt, dass dieses wesentlich verletzt bzw. verhandlungsbedürftig ist.

Die Staatssekretärin Susanne Henckel (FDP) im BMDV kündigte weitere Konferenzen zum Thema Grenzoder an.

Text + Fotos: Gerhard Militzer (Leiter der Führerscheinabteilung und Verbandsjustiziar des DMYV)


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